Mein Freund, der Micha, ist schon ein ganz besonderer Mensch. Das meine ich aber gar nicht positiv, sondern ganz im Gegenteil. Da fragt man sich, warum er dann mein Freund ist. Ist er ja gar nicht. Ich sage das aber immer so gerne, Micha, mein Freund.
Micha ist eine Art Mensch, die wohl jeder in seinem Bekanntenkreis hat. Nur heißen die nicht immer Micha. Mein Micha heißt ja auch nicht Micha, ich nenne ihn nur so.
Ich beschreibe mal den Micha. Stellen wir uns einfach mal vor, Micha wohnt in Schulzendorf, man kennt ihn, weil er überall dort auftaucht, wo gerade etwas geschieht, macht gerne viele Fotos, hat eine Internetseite eingerichtet, auf der er das aufschreibt, was er so beobachtet und macht sich über seine Leser lustig, weil die ihm glauben, was er sich so ausdenkt und schreibt. Gerne schmückt er seine Texte aus und versucht eine richtig tolle Geschichte daraus zu machen. Micha möchte nämlich ein großer Journalist sein. Ist er aber nicht.
Dieser Typ schleimt sich irgendwo ein, weckt das Vertrauen und horcht dann die Leute aus. Mit diesen Informationen schreibt er wieder eine Geschichte, die sich ganz toll anhört, bei der aber nur höchstens die Hälfte wahr ist.
Manche sollten mal hören was er von seinen „Freunden“ aus seiner Stammkneipe erzählt, wie er über die Wirtin herzieht und wie schlecht er von den anderen Besuchern spricht. Seine Freunde sind gar nicht seine Freunde, denn er hat keine Freunde. Immer mehr erkennen langsam, dass Micha nur spinnt. Auch die Leute in dem Sportverein, in den er eingetreten ist, sind schon sauer, weil Micha immer nur viel erzählt und total unzuverlässig ist.
Gern veröffentlicht er Texte von seiner Freundin Gertrude. Das ist natürlich auch keine Freundin. Sie hilft ihm nur bei seiner Internetseite. Ihren Namen benutzt er aber gerne, um den Menschen Weißheiten fürs Leben zu präsentieren und ihnen vorzuschreiben, was sie zu denken haben.
Sehr gerne hetzt er über den Bürgermeister. Das ist schon richtig interessant, was er sich da so alles ausdenkt. Micha hängt dem wirklich alles an. Mir solls egal sein, ist ja auch sehr unterhaltsam. Genau so wie vor einigen Jahren, da gab es einen anderen Schulzendorfer, der die tollsten Geschichten erfunden hat und die bei jeder Gelegenheit in der Bürgerstunde der Gemeindevertretung aufgezählt hat. Alte Gemeindevertreter erinnern sich gerne daran, diese Vorträge waren die Höhepunkte der Sitzungen. Das soll sehr lustig gewesen sein.
Micha macht das ja anders. Er nutzt das Internet. Beide haben aber etwas gemeinsam, beide sind im Grunde Versager und wollen mal groß rauskommen. Deshalb ist Micha auch kein Lügner. Ja, er sagt auch mal gerne die Unwahrheit, aber eigentlich will er nur mal etwas sein im Leben. Das ist er nun auch, ein armer Troll.
Uwe, die Schulzendorferin